Heinrich Gretler
* 1.10.1897 Zürich, † 30.9.1977 Zürich. ∞ 1943 Marion Wünsche, Schauspielerin.
Zunächst Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht und Tätigkeit als Primarlehrer, gleichzeitig Schauspielausbildung bei →Josef Danegger dem Älteren in Zürich. 1918–21 Schauspieler und Sänger unter →Alfred Reucker am →Stadttheater und am →Pfauentheater Zürich (Debüt am 26.6.1918 als erster Greis in Sophokles’ "Antigone", dann unter anderem Dubois in Molières "Der Misanthrop", Erdgeist in Goethes "Faust", Attinghausen in Schillers "Wilhelm Tell", Sosias in Kleists "Amphitryon", Horatio in Shakespeares "Hamlet", Löwe in Shaws "Androklus und der Löwe"), daneben Gesangsausbildung bei Melitta Hirzel-Seckbach und bei →Alfred Jerger (4.3.1921 erster Auftritt als Sänger am Stadttheater Zürich als Schnitter und alter Jude in d’Alberts "Die toten Augen", Mitwirkung als Bassbariton in zahlreichen Opern und Operetten). Nach der Umstrukturierung der Theater ab 1921 unter der Direktion von →Paul Trede Charakterbass am Stadttheater Zürich (Tonio in →Ruggero Leoncavallos "Bajazzo", Bartolo in Mozarts "Figaros Hochzeit", Falstaff in Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor", Titelrolle in Falls "Der fidele Bauer"). 1926/27 Gastschauspieler am Zentraltheater Magdeburg, 1927–33 an verschiedenen Berliner Bühnen, unter anderem am Deutschen Künstlertheater, an der Volksbühne, an den Piscator-Bühnen, am Theater am Kurfürstendamm, am Theater am Schiffbauerdamm, bei Friedrich Hollaenders Kabarett "Tingel-Tangel", daneben ab 1927 Filmtätigkeit ("Berlin Alexanderplatz", "M – Eine Stadt sucht einen Mörder", "Menschen am Sonntag"). G.s letzte Rolle in Berlin war der Rösselmann in Schillers "Wilhelm Tell" am Deutschen Theater (Premiere: 5.5.1933, Regie: Carl Ludwig Achaz). 1933 Gastspiele mit →Bertolt Brechts "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und "Die sieben Todsünden der Kleinbürger" in Paris und London, dann aus politischen Gründen Rückkehr in die Schweiz, dort lange Zeit der wohl populärste Volksschauspieler, Protagonist vieler Inszenierungen im Sinn der geistigen Landesverteidigung. 1933–36 und 1938–54 sowie als Gast 1937/38 und bis 1975 am →Schauspielhaus Zürich, unter anderem in der Spielzeit 1938/39 grosse Erfolge in den Titelrollen von Goethes "Götz von Berlichingen", Lessings "Nathan der Weise" und Schillers "Wilhelm Tell", 1939 Knieriem in Nestroys "Der böse Geist Lumpazivagabundus", 1940 Murer in →Albert Jakob Weltis "Steibruch" (mit grossem Erfolg bereits 1939 bei der Uraufführung an der Schweizerischen Landesausstellung Zürich, 1940 beziehungsweise 1941 auch an den →Theater Basel, Stadttheatern Basel, Luzern und St. Gallen und am →Sommertheater Winterthur sowie 1942 in der Verfilmung durch →Sigfrit Steiner mit →Maria Schell), 1941 Titelrolle in Gerhart Hauptmanns "Fuhrmann Henschel", 1942 César in Pagnols "Marius", 1943 Wang in der Uraufführung von Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" (Regie: →Leonard Steckel), 1946 Adam in Kleists "Der zerbrochene Krug" und Korianke in der Uraufführung von →Carl Zuckmayers "Des Teufels General" (Regie jeweils: →Heinz Hilpert), 1947 Knipperdollinck in der Uraufführung von →Friedrich Dürrenmatts "Es steht geschrieben", 1947 Titelrolle in Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick", 1951 Buchhändler in der Uraufführung von →Paul Burkhard/→Walter Leschs "Die kleine Niederdorf-Oper", 1973 Papst Albert IV. in João Bethencourts "Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde" (Regie: →Werner Kraut). Als Gast auch beim →Cabaret Cornichon (Mitwirkung in acht Programmen 1935–40), am Stadttheater Basel (unter anderem 1937 Dr. Galén in Čapeks "Die weisse Krankheit", 1939 Titelrolle in Schillers "Wilhelm Tell", 1943 Bürgermeister Orden in der deutschsprachigen Erstaufführung von Steinbecks "Der Mond ging unter", 1945 Anton in Hebbels "Maria Magdalena" mit →Käthe Gold als Klara), am →Stadttheater Bern (1944 Titelrolle in Goethes "Götz von Berlichingen"), am →Stadttheater Luzern, am →Stadttheater St. Gallen, am Sommertheater Winterthur und am →Bernhard-Theater Zürich. Bedeutender Schweizer Filmdarsteller ("Landammann Stauffacher", "Wachtmeister Studer", "Die letzte Chance"), nach dem Krieg rund achtzig Film- sowie diverse Fernsehrollen in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz (unter anderem 1952 Alp-Öhi in "Heidi").
Auszeichnungen
- 1962 →Hans Reinhart-Ring der →SGTK,
- 1972 Goldene Nadel des Schauspielhauses Zürich,
- 1977 Auszeichnung für allgemeine kulturelle Verdienste der Stadt Zürich.
Literatur
- Wollenberger, Werner: Heiri G., der grosse Schweizer Schauspieler, 1978.
Nachlass
- Stadtarchiv Zürich.
Autor: Thomas Blubacher
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Blubacher, Thomas: Heinrich Gretler, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 750–751.