Max Frisch
* 15.5.1911 Zürich, † 4.4.1991 Zürich.
F. studierte zunächst Germanistik an der Universität Zürich. Aus finanziellen Gründen gab er dieses Studium nach dem Tod seines Vaters 1932 auf. Journalistische Arbeiten – unter anderem bei der "Neuen Zürcher Zeitung"– sicherten ihm die Existenz. Notizen für Zeitungsartikel, Reiseeindrücke und biografische Details verarbeitete er in seinem Erstlingsroman "Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt", der 1934 erschien. Sein Debütroman, der in eine Diskussion über eine mögliche ethische Rechtfertigung von Sterbehilfe mündet, blieb nicht unumstritten. 1936–40 studierte F. Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. 1942–55 besass er ein eigenes Architekturbüro; zu seinen Bauten zählt beispielsweise das Zürcher Schwimmbad Letzigraben. Zwischen 1939 und 1945 leistete F. wiederholt längere Zeit Militärdienst. Unter dem Eindruck der Kriegsgefahr begann er Tagebuch zu schreiben: Fragmentarisch, subjektiv und bekenntnishaft wird es zum Ort der Selbstfindung. Stoffe und Themen des Tagebuchschreibers F. kehren in seinen Romanen und Dramen wieder. Am 29.3.1945 wurde "Nun singen sie wieder" am →Schauspielhaus Zürich, Zürich ZH uraufgeführt (Regie: →Kurt Horwitz). Am selben Theater folgten die Uraufführungen von F.s erstem Stück "Santa Cruz" (7.3.1946, Regie: →Heinz Hilpert), das 1944 auf Anregung →Kurt Hirschfelds entstanden war, von "Die chinesische Mauer" (10.10.1946, Regie: →Leonard Steckel) und "Als der Krieg zu Ende war" (8.1.1949, Regie: Horwitz). Die beiden letzteren Dramen verlegen die Bewältigung des Nationalsozialismus ins Abstrakt-Metaphysische. Der Antisemitismus galt F. als Beispiel für die Darstellung des Massenvorurteils. Eindeutiger noch als "Biedermann und die Brandstifter" (Uraufführung 29.3.1958, Schauspielhaus Zürich, Regie: →Oskar Wälterlin) ist "Andorra" (Uraufführung 2.11.1961, Schauspielhaus Zürich, Regie: Hirschfeld) auch auf die historische Situation der Schweiz zu beziehen. Beide Stücke zählen zu den am häufigsten gespielten deutschsprachigen Stücken des 20. Jahrhunderts. Anfang der sechziger Jahre verliess F. die Schweiz und lebte einige Jahre in Rom zusammen mit Ingeborg Bachmann. Aus den Anmerkungen und Rechtfertigungen zu seinen Stücken erschliesst sich F.s Dramen- und Theatertheorie, die sich nachfolgend und zugleich distanzierend auf sein Vorbild →Bertolt Brecht beruft. Bestimmende Faktoren seiner Dramaturgie sind der Spielcharakter des Theaters, die Deutung und die Bewusstwerdung der Welt, nicht ihre Imitation. Das Variantenspiel des Möglichen in "Biografie. Ein Spiel" (Uraufführung der ursprünglichen Fassung 1.2.1968, Schauspielhaus Zürich, Regie: →Leopold Lindtberg) wird abgelöst von der Darstellung des Endgültigen in "Triptychon" (Uraufführung 10.10.1979, →Centre Dramatique de Lausanne, Regie: →Michel Soutter), das die Situation, die keine Varianten mehr zulässt, das Leben nach dem Tod, zeigt. Obwohl F. im Alter seinem Einsatz für politische und soziale Veränderungen gegenüber skeptischer geworden war, brach er 1989 aus aktuellem Anlass noch einmal sein literarisches Schweigen: "Schweiz ohne Armee? Ein Palaver" nannte er seine engagierte Wortmeldung zur Armeeabschaffungsinitiative, dessen Bühnenfassung am 19.10.1989 unter dem Titel "Jonas und sein Veteran" am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde (Regie: →Benno Besson). Ende der siebziger Jahre wurde die M.-F.-Stiftung gegründet. Sie verleiht seit 1998 zusammen mit der Stadt Zürich den "M.-F.-Preis der Stadt Zürich" an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, "deren Arbeit in künstlerisch kompromissloser Form Grundfragen der demokratischen Gesellschaft thematisiert". 1981 wurde das M.-F.-Archiv an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich eingerichtet. Weitere Bühnenwerke: "Graf Öderland" (Uraufführung 10.2.1951, Schauspielhaus Zürich, Regie: Steckel), "Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie" (Uraufführung 5.5.1953, Schauspielhaus Zürich, Regie: Wälterlin). Sonstige Werke: "Blätter aus dem Brotsack" (1940), "Tagebuch 1946–49" (1950), "Stiller" (1954), "Homo faber" (1957), "Mein Name sei Gantenbein" (1964), "Öffentlichkeit als Partner" (1967), "Tagebuch 1966–71" (1972), "Dienstbüchlein" (1974), "Montauk" (1975), "Der Mensch erscheint im Holozän" (1979), "Blaubart" (1982).
Auszeichnungen
unter anderem
- Rockefeller Grant for Drama (1951),
- Georg-Büchner-Preis (1958),
- Literaturpreis der Stadt Jerusalem (1965),
- Grosser Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (1974),
- Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1976),
- Commandeur dans l’Ordre des Arts et des Lettres (1984),
- Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf (1989),
- mehrere Ehrendoktorate.
Literatur
- Ramer, Rudolf Ulrich: M. F. Gesamtbibliographie, 1993.
- Bircher, Urs: Vom langsamen Wachsen eines Zorns. M. F. 1911–1955, 1997.
- Bircher, Urs: Mit Ausnahme der Freundschaft. M. F. 1956–1991, 2000.
- Bolliger, Luis (Hg.): Jetzt: M. F., 2001.
Nachlass
- M.-F.-Archiv der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
Autorin: Brigitte Marschall
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Marschall, Brigitte: Max Frisch, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 646–647.